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Rechtsterrorismus: Spurensuche in (Süd-)Niedersachsen

Die Ermordung des Kasseler CDU-Politikers Walter Lübcke scheint nicht nur der erste vollendete Mordanschlag auf einen Politiker durch Neonazis seit 1945 in Deutschland zu sein. Die Tat macht auch auf erschütternde und tragische Weise deutlich, wovor Antifaschist*Innen lange warnen. Die Trio-These der Bundesanwaltschaft bezogen auf den NSU-Komplex ist nicht haltbar! Der Tatverdächtige Stefan Ernst bewegte sich im selben Netzwerk, das bereits bei der Ermordung von Halit Yozgat 2006 eine Rolle gespielt hat.

Bei den Ermittlungen um das NSU-Trio wurde klar, dass Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe keine allein agierenden Einzeltäter gewesen sind, auch wenn die Bundesanwaltschaft auf Grund verschiedenster Versäumnisse und Verflechtungen der Sicherheitsbehörden, vor allem des Verfassungsschutzes, alles getan hat um an der Trio-These festzuhalten, geriet eine Gruppe immer wieder in den Fokus der Ermittlungen: Combat 18.

Combat 18 (Kampfgruppe Adolf Hitler) ist der bewaffnete Arm des internationalen Neonazinetzwerks Blood & Honour, welches im Jahr 2000 in Deutschland verboten wurde und deren Mitglieder immer wieder das Konzept des Führerlosen Widerstandes propagieren. Das bedeutet vereinfacht gesagt: verschiedene Terrorzellen agieren voneinander getrennt, auch ohne voneinander zu Wissen. Und in genau dieses Konzept passten die Taten des NSU-Trios und in dieses Konzept passt nun auch die Tat von Stefan Ernst.

Doch machten nicht zuletzt die Ermittlungen zum NSU deutlich, dass die verschiedenen Täter nur deshalb so agieren können, weil sie auf eine weitverzweigte und gut vernetzte Struktur aus Helfern zurückgreifen können.

Ein regionaler Schwerpunkt dieser Strukturen findet sich im Dreiländereck Hessen, Thüringen und Niedersachsen. Vor allem das südliche Niedersachsen ist durch verschiedene Exponenten der ehemaligen Blood & Honour-Strukturen und dem enorm einflussreichen Thorsten Heise ein wichtiger Anker dieses Netzwerks.

Die Waffenkammer der Bewegung

Stefan Ernst entspringt der militanten und bisweilen auch terroristisch agierenden Neonaziszene in Kassel. In den 2000er Jahren zählte er zum engeren Kreis der Kasseler Kameradschaft „Sturm 18“ um Mike Sawallich und Michel Friedrich, in dessen Umfeld sich auch Stanley Röske bewegte und wer diesen Spuren folgt landet schnell bei Thorsten Heise.

So stellten Neonazis der Kameradschaft Sturm 18 immer wieder den Saalschutz bei Konzerten und Veranstaltungen von Blood & Honour auf dem Grundstück von Thorsten Heise. Im thüringischen Einflussbereich von Thorsten Heise gab es eine Zeit lang sogar einen eigenen Ableger der Kameradschaft Sturm 18, wie Aussteiger berichteten.

Thorsten Heise sticht nicht nur als Kristallisationspunkt und Spiritus Rector von Combat 18 hervor, schon während der Ermittlungen im NSU-Komplex kamen die deutlichen Bemühungen von Thorsten Heise ans Licht, die Neonaziszene langfristig zu bewaffnen.

So ist es wenig überraschend, dass gerade die Strukturen im südlichen Niedersachsen, dem unmittelbaren Einflussgebiet von Thorsten Heise, schwer bewaffnet sind.

Im Jahr 2008 kam es zu einem bemerkenswerten Vorfall innerhalb der südniedersächsischen Neonaziszene. Der Göttinger Neonazi Mario Messerschmidt erlangte überregionale Bekanntschaft, als es während seiner Geburtstagsfeier in einer Göttinger Szenebar zu einer schweren Auseinandersetzung unter den anwesenden Neonazis kam.[2]

Bei den anschließenden Ermittlungen zum Vorfall durchsuchte die Polizei insgesamt 30 Wohnungen, ein Geschäft und einen Kleingarten in den Landkreisen Hildesheim, Braunschweig, Göttingen, Osterrode und Northeim. Dabei stießen die Ermittler auf ein regelrechtes Waffenarsenal. Neben einem schallgedämpften Präzisionsgewehr beschlagnahmten sie Pistolen, vollautomatische Gewehre und unzählige andere Waffen. Besonders erwähnenswert: Im anschließenden Prozess gab Messerschmidt zu Protokoll, dass es in diesen Milieu gang und gäbe sei, Waffen mit sich zu führen. [3]

Eine Auswahl der bei den Durchsuchungen gefundenen Waffen.

Die Waffenfunde im Zuge dieser einzelnen Ermittlungen geben einen Einblick in die massive Gewaltbereitschaft der hiesigen Neonaziszene und zeigen das sich die Strukturen in denen sich Leute wie Stefan Ernst bewegen, schon lange bewaffnet haben und weiter bewaffnen.

Blood & Honour, die Hells Angels und Combat 18

Eine der zentralen Fragen, die während der Ermittlungen zum NSU-Komplex unbeantwortet blieb, ist die Frage woher dessen Waffen kamen. Eine mögliche Antwort liefert die Entwicklung der ehemaligen Blood & Honour Sektion Niedersachsen aus Hildesheim. Der Kern der Hildesheimer Sektion ist nach dem Verbot von Blood & Honour im Jahr 2000 fast vollständig den Hells Angels beigetreten [4]. Die Neonazis waren auf Grund ihrer Erfahrungen eine willkommene Verstärkung für die gerade expandierenden Clubs, die Clubs wiederum lieferten den Neonazis die nötigen Verbindungen in die organisierte Kriminalität. Die bereits zu Blood & Honour Zeiten entstandenen Freundschaften wurden weitergeführt und bestens vernetzte Neonazis bildeten fortan eine Art Schnittstelle zwischen organisierter Kriminalität und Neonaziszene.

Vor dem Verbot von Blood & Honour waren die wohl bedeutendsten Akteure der Gruppe Hannes Franke und Johannes Knoch.

Hannes Franke und Johannes Knoch heute.

Die Bedeutung der Beiden und die der Sektion in Hildesheim wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass sie es waren, die Ende der 1990er Jahre die Impulse gaben Blood & Honour in eine politische Kampfgemeinschaft umzuformen [5]. Um die beiden Exponenten der Hildesheimer Struktur entstand bereits zu dieser Zeit ein Personen- und Firmengeflecht in dessen Dunstkreis sich Tattoostudios, „legale“ Kampf- und Wehrsportschulen, Inkassounternehmen und Militärshops finden lassen.

Nach dem Verbot von Blood & Honour im Jahr 2000 führten die Beiden ihre Aktivitäten zunächst fort und wurden deshalb 2008, zusammen mit weiteren norddeutschen Neonazis wegen der Fortführung von Blood & Honour zu einer Geldstrafe verurteilt. Während der Ermittlungen wurde unter anderem das Tattoostudio „Last Resort“ von Johannes Knoch in Hildesheim durchsucht. [6]

Silversterfeier in Hildesheim 2017/2018 (2 v.l. Johannes Knoch, 5 v.l. Hannes Franke, 4 v.r. Marcel Ullrich, 3 v.r Thomas Düwell)

Ihre Aktivitäten entfalteten sich fortan fast vollständig im Milieu der Hells Angels und der eigens gegründeten Wehrsportschule „Warrior Survival School“. Nach Außen wurde die WSS von Marcel „Celly“ Ulrich vertreten[7] der nicht nur als Ausbilder fungierte sondern auch im Hildesheimer Tattoostudio von Knoch angestellt war. Inzwischen betreibt er ein eigenes Tattoostudio im niedersächsischen Springe bei Hannover, die Freundschaft besteht jedoch weiterhin. So verbrachte er seine Silvesterfeier 2017/2018 unter anderem gemeinsam mit Johannes Knoch, Hannes Franke und Thomas Düwell.

Thomas Düwell ist zwar kein ehemaliges Mitglied der Hildesheimer Sektion von Blood & Honour aber trotzdem fester Bestandteil der Gruppe um Franke und Knoch. Der aus Rostock stammende Düwell erlangte durch seine Beziehung mit Anke Zapf, eine der wenigen Frauen im Netzwerk von Blood & Honour, seiner Zeit schnell Ansehen innerhalb des Norddeutschen B&H. Ihn verbindet eine besonders enge Freundschaft mit Hannes Franke. Zeitweilig betrieb er sogar einen Vertrieb für pornografische Inhalte im Nebengebäude von Frankes Tattoostudio „Bulletproof“ in Munster. [9]

Bis mindestens 2002 lebte er in der elterlichen Wohnung in Rostock Toitenwinkel. Diese lag in Sichtweite des Imbiss, in dem Mehmet Turgut vom NSU ermordet wurde.[10]

Neben der Waffenbeschaffung konnte eine weitere zentrale Frage im NSU-Prozess nicht abschließend geklärt werden: wie hat das NSU-Trio seine Opfer ausgesucht?

Eine ausführliche Liste mit möglichen Anschlagszielen die über ganz Deutschland verteilt waren lässt darauf schließen, dass der NSU Informanten in den Städten gehabt haben muss und schon lange ist bekannt, dass das Kern-Trio des NSU besonders in Rostock über gute Kontakte verfügte. [12]

Ein weiterer wichtiger Akteur im Netzwerk um Franke und Knoch ist Mirko Appelt, der ehemalige Anführer des „Selbstschutz Sachsen Anhalt“ („SS/SA“) und zu dieser Zeit Teil der Kameradschaftsszene in Salzwedel. Zumindest zeitweilig zeigte er sich, wenigstens nach Außen, verantwortlich für das Rostocker Tattoostudio „Crime Art Tattoo“ in Rostock-Toitenwinkel. Die Personen um das Tattoostudio besuchten regelmäßig die Gruppe um Knoch und Franke und andersherum besuchten die Hildesheimer regelmäßig die Gruppe aus Rostock.[13]

Thomas Düwell und Mirko Appelt am Rande einer Demonstration imHalbe 2004.

Es ist also wenig verwunderlich, dass die Hildesheimer Johannes Knoch und Hannes Franke im Rostocker Chapter der Hells Angels um Mirko Appelt und Thomas Düwell mitwirkten.[14] Das Rostocker Chapter galt sogar innerhalb der Hells Angels als besonders weit rechts. Wohl durch diese Verbindung lässt sich erklären, dass das mehr oder weniger vollständige Hells Angels Chapter Salzwedel um den bekannten Neonazi Kay Schweigel zum 20. Jubiläum vom „Last Resort“ im Jahr 2018 in Hildesheim war, um Knoch persönlich zu Gratulieren.

2018: Die Hells Angels Salzwedel zu Besuch im Last Resort. (Bildmitte: Kay Schweigel, links daneben Johannes Knoch und der 4 v.l. Thomas Düwell)

Ein Blick in das Kampfsportmilieu eröffnet einen Blickwinkel in das Netzwerk außerhalb des harten Kerns. Auf verschiedenen Veranstaltungen fanden sich neben Hannes Franke und Marcel Ulrich, der zum Teil selbst als Veranstalter in Erscheinung getreten ist[15], auch bekannte Hooligans und Neonazis wieder. 

Hannes Franke und Mirko Appelt im Rahmen der Fightnight in Salzwedel.

[16] Einer von ihnen war der Hamburger Clemens Otto, der bereits vor demVerbot von Blood & Honour in der Sektion „Nordmark“ aktiv war.

Nach dem Verbot von Blood & Honour gründete Clemens Otto 2001 „Combat 18 Pinneberg“, die bis dahin erste Gruppe mit offenem Bezug zum Terrornetzwerk. [17]

Die Blood & Honour Sektion „Nordmark“ bildete mit der Hildesheimer Sektion einigen Jahre lang die vermutlich wichtigste Organisationsstruktur für Rechtsrock-Konzerte in Norddeutschland. Bis Mitte der 2000er waren Aktivist*Innen der Sektionen „Hildesheim“ und „Nordmark“ an quasi allen bedeutenden Rechtsrockkonzerten in Norddeutschland beteiligt. [18]

Die Gruppe „Combat 18 Pinneberg“ bestand aus etwa 20-30 Mitgliedern und entfaltete ihre Aktivitäten vor allem als Sicherheitsdienst auf Konzerten von Blood & Honour, so wie dem Handel mit verbotenen und indizierten Rechtsrock-Alben und wurde darüber hinaus mit Erpressungen von Versandhändlern in Verbindung gebracht, die Merchandise von Blood & Honour verkauft haben. Ende August 2003 tauchten Telefonmitschnitte auf, auf denen Knoch Mitgliedern von „Combat 18 Pinneberg“ Anweisungen erteilte über unliebsame Neonaziversände Informationen einzuholen. Weiterhin soll er angemerkt haben: „und ihr selber könnt euch dann natürlich auch mal drum kümmern, wenn das bei euch in der Nähe ist.“[19]

Ebenfalls im Umfeld von „Combat 18 Pinneberg“ tauchte der aus Kiel stammende Kampfsportler Peter Borchert auf. Er wurde von der Polizei verdächtigt, die 2003 verbotene Gruppe „Combat 18 Pinneberg“ mit Waffen versorgt zu haben. Insgesamt galt er als Waffenbeschaffer der norddeutschen Neonaziszene. So waren bis 2004 bereits 12 Waffengeschäfte Aktenkundig, bei denen er Waffen in die rechte Szene verkauft hatte. [20]

Die Aussage eines Aussteigers der Kieler Hells Angels ist in diesem Kontext besonders brisant. Er gab vor Gericht an, dass ein Teil der Waffen des NSU-Trios aus dem Kieler Milieu stammen würde [21]. Obwohl lokale Antifa-Strukturen wie auch Behörden seine Aussagen damals für nicht besonders glaubwürdig hielten, werfen aktuelle Informationen über den Umgang der Polizei mit dem Rockermilieu neue Frage auf. [22] Da dieser Vorfall im Zusammenhang mit dem Kieler Neonazi Peter Borchert steht und durch im NSU-Prozess erlangte Erkenntnisse klar geworden ist, dass der NSU sich im besagten Zeitraum wohl in Kiel aufgehalten hat [23] könnte es sinnvoll sein, seine Aussagen unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse noch einmal neu zu bewerten.

Die Verbindungen zum NSU

Die räumliche Nähe des ehemaligen Wohnorts von Thomas Düwell bleibt nicht die einzige Verbindung der Hildesheimer Struktur in das Umfeld des NSU.

Kurz nach dem 1998 der Jenaer Neonazi Holger Gerlach nach Hannover gezogen war, tauchte er auch im Umfeld von Blood & Honour Niedersachsen auf.

Scheinbar war Holger Gerlach schnell in die organisatorischen Prozesse von B&H Niedersachsen eingebunden und veranstaltete so bereits 1999 gemeinsam mit Knoch ein Blood & Honour-Konzert in Hildesheim. [24]

Auf dem Konzert selber spielte das von Gerlach eingeladene Jenaer Liedermacher Duo „Eichenlaub“ eine Hommage auf die drei untergetauchten Terroristen.

Bis Mitte der 2000er besuchte Gerlach gemeinsam mit der Gruppe um Franke verschiedene Demonstrationen in Deutschland, so zum Beispiel die Rudolf-Heß-Märsche 2003 in Wunsiedel und 2005 den Trauermarsch in Magdeburg. [25]

1999 besuchten Franke und Gerlach gemeinsam die Hochzeit von Thorsten Heise. [26] Die Hochzeit war eines der wohl bedeutendsten Treffen der militanten Neonaziszene in Deutschland, in den vergangenen Jahrzehnten. Dort trafen sich Akteure von rechtsradikalen Parteien, dem Rechtsrockbusiness, Blood & Honour und Combat 18 genauso wie die freie Kameradschaftsszene.

Nach heutigem Wissensstand reiste Holger Gerlach mit dem Auftrag zu der Hochzeit, bei Heise nach Hilfe für mögliche Fluchtpläne des NSU-Kerntrios zu fragen. Etwa zur selben Zeit hielten sich im Milieu des sächsischen Blood & Honour-Milieus Gerüchte darüber, dass die Drei planen nach Südafrika zu fliehen. [27]

Heute ist bekannt das es um den Jahrtausendwechsel Pläne innerhalb der Szene um Thorsten Heise gegeben hat, gemeinsam mit deutschen Neonazis im Südafrikanischen Exil ein internationales Schulungs- und Ausbildungszentrum, für Neonazis aus aller Welt, zu schaffen. Konkret ging es dabei um die Ranch von Claus Nordbruch [28], einem früheren NPD Mitglied und zeitweilig Vorsitzender des „Hilfskomitees Südliches Afrika“, einer deutschen Organisation die auf das Ende der Apartheid zurückzuführen ist. Nicht alle Buren (Bezeichnung für weiße Südafrikaner, die seit der Kolonialzeit in Südafrika Verwurzelt sind) wollten das Ende der Apartheid einfach so hinnehmen und bedienten sich im Untergrund terroristischer Methoden.

An Kämpfen in Südafrika beteiligten sich auch immer wieder Söldner die sich aus deutschen Neonazikreisen rekrutiert haben[29], so hielten sich innerhalb der Neonaziszene lange hartnäckige Gerüchte darum, dass Johannes Knoch an bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Buren und der südafrikanischen Polizei beteiligt gewesen sein soll [30]. Er selbst warb auf der Seite der „Warrior Survival School“ mit einschlägigen Erfahrungen in Südafrika [31].

Die Gerüchte um Johannes Knoch sind nicht die einzigen Spuren, die aus dem Umfeld der Blood & Honour Sektion Hildesheim nach Südafrika führen. Auch Mirko Appelt soll sich zeitweilig auf der Ranch von Claus Nordbruch aufgehalten haben [32].

Eine weitere Verbindung der Hildesheimer Gruppe in das unmittelbare Umfeld des NSU sind die Brüder Eminger. Maik Eminger zog 2002 ins Örtchen Groß Duengen und lebte einige Jahre im Landkreis Hildesheim. Vor seinem Umzug sagte er: „dass er jetzt dorthin wolle, wo sich wirklich etwas bewegt“ [33]. In den folgenden Jahren mischte Maik Eminger in der lokalen Neonaziszene mit und besuchte 2004 gemeinsam mit Johannes Knoch eine Kranzniederlegung in Gronau bei Hildesheim. [34] Außerdem besuchten die Eminger-Brüder gemeinsam mit Hannes Franke regelmäßig Treffen der völkisch-rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft“ im thüringischen Ilfeld. [35] So besteht seit einigen Jahren eine gute Freundschaft zwischen Hannes Franke, Johannes Knoch, Maik Eminger und den im NSU-Prozess als Terrorunterstützer verurteilten Andre Eminger. Nach Erkenntnissen des ZDF besuchten die beiden Brüder bereits nach der Enttarnung des NSU-Kerntrios im Jahr 2011, noch im Jahr 2012 das Tattoostudio „Last Resort“ in Hildesheim. [36]

Noch eine weitere Spur führt in das Umfeld der Hildesheimer, so wurde im Verlaufe der Ermittlungen zum NSU-Komplex bekannt, dass das untergetauchte Kerntrio gefälschte und von anderen Neonazis geliehene Identitäten benutzte, um im Untergrund unerkannt zu bleiben. Eine die ihre Identität zur Verfügung gestellt hatte, ist Sylvia Scheidemantel. Gegen eine Bargeldzahlung händigte sie Holger Gerlach ihre Krankenkassekarte aus, wodurch es Beate Zschäpe möglich war Arztbesuche wahrzunehmen [37] Ihr Ehemann Alexander Scheidemantel gab bei der entsprechenden Anhörung im NSU-Prozess an, sich einige Jahre lang im Umfeld der Hildesheimer Neonazi-Kameradschaft „Kameradschaft 88“ bewegt zu haben, in welcher auch Hannes Franke aktiv war. Auf die Frage ob Sylvia Scheidemantel Johannes Knoch, Hannes Franke oder Thomas Düwell kennen würde, gab sie an sich nicht erinnern zu können. [38]

Fazit

Am Beispiel der Hildesheimer Strukturen der um das im Jahr 2000 verbotenen Blood & Honour Bewegung wird deutlich, dass die Verbindungen von Neonazis und dem Rockermilieu ein enormes Gefahrenpotential bergen. Durch die Einbindung in die Rockerclubs ist es ihnen nicht nur möglich ihre alten Freundschaften und Kontakte weiter zu pflegen, viel mehr kommen sie auch mit Strukturen der organisierten Kriminalität, wie Drogen- und Waffenhandel in Verbindung.

Diese Erfahrungen und Kontakte können zu einem nicht unerheblichen Maße zur Professionalisierung und Finanzierung der beteiligten Neonazistrukturen beitragen.

In diesem konkreten Fall bedeutet das, dass sich um jene Exponenten der Blood & Honour Bewegung, die sich bereits Ende der 1990er Jahre dafür einsetzten Blood & Honour in eine politische Kampfgemeinschaft umzuformen, ein Netzwerk aus Personen und Strukturen gebildet hat, die seit Jahrzehnten durch ihre Nähe zum Rechtsrock, dem Hooliganmilieu und einem besonders militanten Teil der rechten Szene auffallen. Im Umfeld dieses Netzwerkes gab es bereits 2001 den Versuch feste Strukturen um die internationale Terrororganisation Combat 18 aufzubauen. Und viele bedeutende Akteure dieses Netzwerks sind oder waren Teil der Rockergruppen Hells Angels und Bandidos, sie haben und hatten Kontakt in das Netzwerk um den NSU und ihre Spuren führen zu bekannten Waffenhändlern der rechten Szene.

Besonders erschreckend ist die fehlende Bereitschaft der Behörden an dieser Stelle zu ermitteln und auf Druck auf diese Netzwerke auszuüben. Ob die Tatwaffe im Mordfall Lübcke oder Waffen aus dem NSU-Komplex tatsächlich auf dieses Netzwerk zurückzuführen sind lässt sich nicht sagen. Was sich jedoch feststellen lässt, ist das fehlende Interesse der Behörden gegen diese Strukturen vorzugehen und entsprechende Fragen zu klären.

Weder tauchte Johannes Knoch, trotz der Telefonmitschnitte, auf der Liste der Angeklagten im Fall von Combat 18 Pinneberg auf, noch sind Reaktionen der Behörden auf die vielfältigen und belegten Kontakte ins Umfeld des NSU, auf die bewaffneten Wehrsportübungen der Gruppe oder ihre Aktivitäten bei den Hells Angels bekannt. Nach allem was über den NSU-Komplex bekannt ist, drängt sich hier die Frage auf, ob die Behörden eine schützende Hand über dieses Netzwerk halten, um mögliche V-Leute zu schützen.

 

Nachweise:

2 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/%C2%BBwaffenkammer-der-bewegung%C2%AB-%E2%80%93-g%C3%B6ttinger-neonazis-vor-gericht

3 & 4 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/%C2%BBwaffenkammer-der-bewegung%C2%AB-%E2%80%93-g%C3%B6ttinger-neonazis-vor-gericht

5, 6, 9, 10, 11, 13,14,25 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/vom-kamerad-zum-member

7 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/razzia-bei-blood-honour-aktivisten

8 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/von-%C2%BBblood-honour%C2%AB-zu-%C2%BBcombat-survival%C2%AB

12 https://www.nsu-watch.info/2017/08/der-nsu-in-mecklenburg-vorpommern-kaum-interesse-an-aufklaerung/

15 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/%C2%BBtime-fight-iii%C2%AB-neonazi-k%C3%A4mpfer-treten-nach-antifaschistischer-intervention-nicht

16 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/knock-out-f%C3%BCr-%C2%BBfight-night%C2%AB-hannover

17 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/combat-18-pinneberg

18 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/abtrimo-%C3%BCber-das-rechte-netzwerk-einer-hamburger-band-0

19 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/ermittlungen-gegen-combat-18-pinneberg

20 https://exif-recherche.org/?p=4399 («Combat 18» in Schleswig-Holstein in den 2000er Jahren)

21 https://www.shz.de/regionales/themen/rocker/spitzel-luegner-kronzeuge-id288425.html

22 https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Rocker-Affaere-bei-der-Polizei-Kronzeuge-packt-aus

23 https://www.antifa-kiel.org/2012/12/29/weitere-verbindungen-des-nsu-in-schleswig-holstein-aufgedeckt/

24 https://www.ndr.de/nachrichten/dossiers/der_norden_schaut_hin/nsu417_page-2.html

25, 35 https://taz.de/!5088499/

26 https://www.nsu-watch.info/2013/03/piato-war-nicht-allein/

27, 28, 30, 31 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/die-achse-deutschland-s%C3%BCdafrika

29 https://www.zeit.de/1994/13/kennzeichen-d

32, 33, 34 https://hajofunke.wordpress.com/2012/07/20/andre-und-maik-eminger-das-helfer-duo-des-terror-trios/

36 http://antifa.sfa.over-blog.com/article-zdf-frontal21-29-11-11-ist-hannes-knoch-munster-hildesheim-in-nazi-morde-verstrickt-nsu-terrortra-90924367.html

https://www.nsu-nebenklage.de/blog/tag/silvia-scheidemantel/

37 https://www.nsu-watch.info/2014/01/protokoll-72-verhandlungstag-8-januar-2014/

38 https://www.nsu-watch.info/2013/11/protokoll-54-verhandlungstag-12-november-2013/

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